Frauenrechte – aber nicht für alle?

n muslimische Frauen im westlichen Feminismus übersehen oder instrumentalisiert?

Werden muslimische Frauen im westlichen Feminismus übersehen oder instrumentalisiert?

Ja, ich bezeichne mich als Feminist. Denn es bedeutet lediglich, sich für die Gleichstellung von Mann und Frau zu äußern und Frauen in seinem Umfeld zu respektieren, wertzuschätzen und sie als gleichwertig anzusehen.

Ein Feminist kämpft für Frauenrechte und ihre Selbstbestimmung. Heutzutage gibt es jedoch Hunderte von Definitionen. Ich finde, es gibt kein anderes Wort auf der Welt, das so individuell definierbar ist wie Feminismus. Trotzdem schließt der westliche Feminismus muslimische Frauen oft aus. Das vorherrschende westliche Narrativ betrachtet sie häufig nur als Opfer oder Unterdrückte, statt als selbstbestimmte Frauen. Dadurch bleiben ihre Erfahrungen und Anliegen im feministischen Diskurs meist unsichtbar.

Historischer Kontext: Feminismus entstand im 19. Jahrhundert vor allem in Europa und Nordamerika als Bewegung für Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung. Sein Ziel ist, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Im Laufe der Zeit hat sich der Feminismus weiter-entwickelt und umfasst heute auch Themen wie Selbstbestimmung, sexuelle Freiheit und den Kampf gegen Diskriminierung.

Das westliche Narrativ betrachtet eine muslimische Frau oft nicht als gleichberechtigt. Trägt sie ein Kopftuch, wird schnell angenommen, sie sei unterdrückt, ihre Religion verbiete ihr Freiheit, der Islam schränke Frauen ein, sie sei ungebildet oder selbstbestim-mungslos. Dieses Bild wird häufig unbewusst davon begleitet, dass eine Frau erst dann „frei“ und selbstbestimmt sei, wenn sie ihre Sexualität offen zeigt oder ihren Körper entblößt. Eine Frau, die sich freiwillig bedeckt und ihre Sexualität bewusst privat hält, wird deshalb schnell als unterdrückt wahrgenommen, ohne ihre tatsächlichen Beweggründe oder ihre eigene Perspektive zu beachten.

Was viele auch nicht beachten, ist, dass für viele muslimische Frauen der Islam bereits feministisch ist. Schaut man sich die Geschichte an, war der Islam eine der ersten Religionen und Rechtssysteme, die Frauen umfassende Rechte zusprachen. Bereits im 7. Jahrhundert, also vor über 1400 Jahren, erhielten Frauen das Recht zu arbeiten, sich weiterzubilden, zu erben, Land zu besitzen, finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen und sich an politischen Prozessen zu beteiligen, wie zum Beispiel durch Wählen. Frauen konnten aktiv am gesellschaftlichen Leben mitwirken, in den Krieg ziehen, sich gegen eine Ehe entscheiden oder  abzutreiben. Der Islam gab Frauen ein Recht auf Selbstbestimmung, etwas, das im Westen  erst Jahrhunderte später denkbar wurde.

Um ein tieferen Einblick in die Perspektive muslimischer Frauen zu werfen, habe ich mich mit der Vorsitzenden des Begegnungs- u. Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V. zusammengesetzt und über ihre Sicht auf Feminismus und das westliche Frauenbild geredet.

Frau Ezdar, die Geschäftsleiterin des Zentrums, ist jetzt seit fast 25 Jahren Teil des Zentrums. Damals kam sie während ihres Studiums in Germanistik, Pädagogik und Islamwissenschaften das erste Mal hierher, eigentlich nur, weil sie halal essen wollte. Nach dem Studium wurde sie gebeten, kurz auszuhelfen, da eine Kollegin krankheitsbedingt ausfiel. Eigentlich war das nur vorübergehend geplant, aber sie ist geblieben.

Was genau ist das Ziel dieses Zentrums?

Frau Ezdar: Das Ziel unseres Vereins lässt sich mit den „vier Bs“ zusammenfassen: Bildung, Beratung, Betreung und Begegnung. Damit möchten wir insbesondere Familien mit internationaler Geschichte unterstützen, ihren Weg in der Gesellschaft zu finden, damit sie eigenständig und selbstbestimmt ihren Platz finden können. Dafür haben wir viele Angebote.

Was bedeutet Feminismus für Sie persönlich?

Für mich bedeutet Feminismus nicht, gegen Männer zu sein. Es geht darum, Frauen zu unterstützen, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können, auch wenn diese Rechte gesellschaftlich nicht immer anerkannt sind. Im Islam haben Frauen viele Rechte, wurden aber durch kulturelle Entwicklungen oft daran gehindert, sie auch wirklich zu leben. 

Sehen Sie Feminismus als Teil des Islams?

Ja, unbedingt. Für mich bedeutet Feminismus Gleichbehandlung und das widerspricht dem Islam nicht. Problematisch wird es, wenn westliche Feministinnen ihre Vorstellungen auf alle Frauen übertragen. Das Kopftuch wird dann schnell als Symbol von Unterdrückung gesehen, ohne zu fragen, was es der Frau selbst bedeutet. Emanzipation sollte jede Frau für sich definieren dürfen. 

Und was sagen Sie zu den Menschen, die sagen, das Kopftuch sei ein Symbol für Unterdrückung?

Ja, es gibt Unterdrückung, aber gerade deshalb brauchen muslimische Mädchen Unterstützung, um ihren eigenen Weg zu gehen. Wer Zwang vermutet, sollte sie stärken, nicht ausgrenzen. Das Kopftuch wird aber auch oft mit Vorurteilen wie Bildungsferne oder Zwangsverheiratung verbunden, und das zu Unrecht. Es gehört nicht nur zum Islam, sondern auch zu anderen monotheistischen Religionen. Wenn ich sage, ich trage es freiwillig, sollte man mir das auch glauben und mir nicht absprechen, selbst denken zu können.

Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Zukunft, gesellschaftlich gesehen?

Ich wünsche mir, dass muslimische Frauen genauso anerkannt werden wie nicht-muslimische und, dass man sieht, wie professionell sie arbeiten, ohne sie pauschal zu beurteilen oder eine einzelne Frau als Beispiel für ‚die muslimische Frau‘ zu nehmen. 

Frauen mit und ohne Kopftuch sollen gemeinsam arbeiten, lernen und sich unterstützen, als Teil dieser Gesellschaft. Und das ist für mich gelebter Feminismus. Jede Frau soll selbst entscheiden, wie sie leben möchte, auch wenn das nicht den Erwartungen der Mehrheit entspricht.

Das Interview mit Frau Ezdar hat gezeigt, wie muslimische Frauen sich in unserer westlichen Gesellschaft sehen und mit welchen Problemen und Hürden sie konfrontiert werden. Für das ganze Interview, besuchen Sie gerne unsere Website: crossnewscologne.de

Für mich steht eins fest: Der Islam ist keine frauenfeindliche Religion. Er unterstützt und schützt Frauen und garantiert ein selbstbestimmtes und würdiges Leben. Der Islam ist feministisch. Und ich bin stolz darauf, mich als einen Feministen nennen zu dürfen. Die Medien repräsentieren nicht immer die Realität. Wir müssen aufhören zu pauschalisieren und müssen anfangen mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, um ein friedliches soziales Miteinander zu sichern.

Interview: Ahmed Amin Zro

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